Agonoize - Staatsfeind
Als ich dieses Lied das erste Mal hörte, wollte mir die Melodie in die Beinchen kriechen, doch irgendwas ließ mich stutzen und ich verharrte in stirngerunzelter Starre: Was singt der Mann da? Ich lauschte also ein wenig und aus meinem Stirnrunzeln wurde ein Blick, der sich am besten mit -.- ausdrücken lässt. (zeitweise kam auch das hier durch.) Jedenfalls hörte ich mir den Text an und fragte mich, in was für einer Welt dieser Kerl (bzw einer von diesen) eigentlich lebt? Oder ob er nicht unter massiver Selbstüberschätzung gepaart mit starkem Realitätsverlust leidet. Aber besser zum Text, damit der geneigte Leser versteht, weshalb ich am Hinterkopf schon ein Loch vor lauter Kratzen habe.
Agonoize - Staatsfeind
Ich frag mich schon seit geraumer Zeit
Fehlts diesem Land an Gerechtigkeit?
Wo ist der Sinn? Wo ist die Struktur?
An diesem Übermaß an Zensur
STAATSFEIND!!!
Soweit, so gut. Es scheint also eine Gesellschaftskritik zu werden. Darauf - muss ich zugeben - steh ich ja eigentlich. Aber die Freude weilt nur kurz und weicht blanker Ernüchterung:
Bin ich pervers nur weil ich auf andre Dinge steh? o.O
Und die Welt, nicht mit deinen Augen seh? ... was redet der da?
Das ganze Land, versinkt in einer Lethargie
Es bleibt kein Raum mehr für Ideologie aua... -.-
Es ist der Frust einer Generation
Die Zeit ist reif für die Revolution
Hab keine Lust mehr nur noch stumm zu sein
Denn manchmal möchte ich nur noch schreien!
Ja, schreien möchte ich da auch. Muss man denn wirklich, nur um des Reimes Willen, aus den schönen Idealen, die der werte Herr Blutverschmier wohl meint, unbedingt Weltanschauungen machen? Aber ich möchte kurz zitieren, um hervorzuheben, was der Schreiber der Zeilen da denn gerne hätte: "[Ideologie] kann synonym zu „Weltanschauung“ Verwendung finden. Meist schwingt eine negative Konnotation mit. „Ideologie“ bezeichnet in einem wertenden Gebrauch dann z. B. ein ungerechtfertigterweise festgefügtes und einseitiges Weltbild." (Quelle: wikipedia.de). Das heißt, er würde gerne ein Land haben, das nicht lethargisch ist, sondern sich in einseitigen, starren Weltbildern verläuft, vielleicht wie zur Kaiserzeit oder sowas. Alles klar...
Es kotzt mich an, dass ich nicht Leben kann, wo ich will
Warte mal, HÄ?! War Deutschland nicht eines der Länder der Welt, in der Freizügigkeit gesetzlich gesichert ist? Ist es dank der EU nicht sogar möglich, nicht nur in D seinen Wohnort frei zu wählen, sondern sogar europaweit? Hallo? Irgendwie Sozialkundeuntericht verpasst? Oder nicht genug Zeitung gelesen?
Es kotzt mich an, dass ich nicht tragen kann, was ich will
Und nochmal: HÄ?! Also, wer auf diese Art und Weise rumläuft, der trägt jawohl, was er will - oder Moment mal, das ist ein Hilferuf! Ja klar! Er wird von der Plattenfirma gezwungen, so rumzulaufen, und hiermit schreit er um Hilfe...
Es kotzt mich an, dass ich nicht sein kann, wie ich will
Liegt aber womöglich mehr an Inkompetenz als an äußeren Zwängen.
Es kotzt mich an, dass ich nicht sagen kann, was ich will
Er kann unüberlegte Scheiße wie diese hier nicht nur sagen, er kann sogar Lieder draus machen - und jammert dann darüber, dass er nicht sagen kann, was er gerade sagt. Ja, das
[Es] kotzt mich an ...
Es kotzt mich an ...
STAATSFEIND!
Momeeeeent, wieso jetzt eigentlich auf einmal der Staat? Erst dachte ich ja noch, er redet von gesellschaftlichen Umständen, Sitten und dergleichen. Aber jetzt ist es der Staat. Und er ist der Feind? Was hat dieser Mann eigentlich vor? Mord? Vergewaltigung? Oder verwechselt er hier etwa den Staat mit der Gesellschaft? (Wer von Ideologien statt von Idealen redet, dem ist vieles zuztrauen...)
Ich bin ich ...
Ich bin wie ich bin ...
Ich bin ich ...
ich bin wie ich bin ...
Mag jetzt auch etwas überraschend kommen, aber das sind wir alle. ich auch. und du. und du. und sogar du.
Hab keine Lust auf eine Welt
In der nur noch mein Äußeres zählt
Ok, das hier wird eine echt schwierige geistige Leistung, aber: dieser Mensch gehört einer Szene an, die sich primär durch ihr Äußeres von der restlichen Gesellschaft abzugrenzen versucht und zeitgleich eine mehr oder minder starke Abneigung oder zumindest Ausgrenzung gegenüber sogenannten "Normalos" (i.e. Leute, die nicht wie sie herumlaufen) ausübt. Fällt da was auf?
Ich hab die Weichen längst gestellt
ALSO LECK MICH, wenns dir nicht gefällt!
Und was soll ich/sollen wir machen, wenns uns nicht interessiert?
Hab keine Lust nur stramm zu stehn
Um in der Masse unterzugehen
Armes Land, arme Welt
Also FICK DICH, wenns dir nicht gefällt!
STAATSFEIND!
BIN ICH EIN STAATSFEIND?
NEIN, denn der Staat interessiert sich einen Scheiß für dich! Auch wenn es dein Weltbild jetzt ins Wanken bringt - du bist dem Staat egal, er kennt dich nicht, er will dich nicht kennen, du bist nicht wichtig, du bist nicht relevant für ihn, du bist einfach nur irgendein Kerl, der nicht erwachsen werden will und nicht checkt, dass die Welt sich nicht nur um ihn dreht.
Vielleicht schwimme ich gegen den Strom
Doch auch ich bin Teil dieser Nation
Der Staat diktiert, inspiziert und kontrolliert
Während ihr euch abgestumpft reproduziert
Sagt ausgerechnet der Mensch der dieses Lied mitzuverantworten hat. Hauptsache die Klappe groß aufreißen und schön den Dicken markieren. Scheiß auf Glaubwürdigkeit, scheiß auf Konsistenz - wir haben ja unsere Idealogien oder wie die Dinger heißen. Fettes FAIL.
Ich hab es satt dumm rum zu lügen
Und mich dem Schema F zu fügen
Wenn es nicht anders geht, dann HASS MICH, HASS MICH!
Wenn du mich ändern willst, FICK DICH, LECK MICH!
Nochmal: Du bist nicht der Nabel der Welt. Die Welt interessiert sich nicht für dich, und egal wie viel Kunstblut du dir ins Gesicht schmeißt, die Welt hat keinen Grund, dich zu hassen.
[Wiederholungsblabla]
STAATSFEIND!
BIN ICH EIN STAATSFEIND?
Nein, für dich gibt es den Ausdruck YAAFM.
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Tja, und dieses Lied kommt natürlich an. Ist ja auch verständlich, wär ich ein 16-Jähriger, der Stress mit der Mama hat, würd ich mich auch so fühlen, als würde ganz Deutschland, vom kleinen Streifenpolizisten über Kommissar Rex bis hin zur Merkel mich hassen, jagen, verstoßen und so weiter und so fort. Das bringt dann dolles Zusammengehörigkeitsgefühl, wenn man miteinander zu diesem geilen Song auf der Tanze abzuckeln kann und glaubt, man gehöre wegen der Ideologie (haha!) und der gleichen Kleidung (die nur aussagt, dass man nicht auf Äuerlichkeiten achtet!! klar... -.-) zusammen.
Leute, werdet erwachsen und kommt aus eurer peinlichen Opferhaltung raus! Da gibt es keinen Feind. Weder ihr seid einer noch ist der Staat euer Feind. Hört einfach auf rumzuheulen!